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null ÖÄK: Konstruktive Diskussionen statt medialer Schuldzuweisung

ÖÄK-Spitze fordert Ausbau der ambulanten Leistungen, bessere Lenkung der Patientenströme und bietet enge Zusammenarbeit und Expertise an. Präsident Steinhart lädt Gesundheitsminister zu Gesprächen ein.

„Der Ärztekammer ein Betonierer-Image anzudichten, ist unfair und faktisch nicht haltbar. In Wien haben wir erst vor wenigen Tagen die zehnte Primärversorgungseinheit (PVE) eröffnet, bis Mitte des Jahres sind fünf weitere Eröffnungen geplant – da kann man uns sicher keine Verweigerungshaltung vorwerfen“, reagiert Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer, auf entsprechende Aussagen von Gesundheitsminister Johannes Rauch. Die Ärztekammer für Wien habe sogar ein eigenes Konzept für PVE für Kinderheilkunde entwickelt und mehrfach zu Gesprächen darüber eingeladen. Auch, dass die Ärztekammern die Besetzung von Kassenstellen verhindern würden, um anderen Ärztinnen und Ärzten Konkurrenzdruck zu ersparen, weist Steinhart vehement zurück. „Seit Jahren fordern wir öffentlich die Schaffung von 1.300 zusätzlichen Kassenstellen und warnen vor den Auswirkungen der Pensionierungswelle. Wir kennen auch ganz genau die Arbeitsbedingungen der Ärztinnen und Ärzte in diesem Land und wissen daher ganz genau, wie diese unter den größer werdenden Lücken im niedergelassenen Kassenbereich leiden.“ Schließlich müssten die aktiven Kassenärztinnen und Kassenärzte jedes auftretende Loch durch noch höhere Arbeitsbelastung kompensieren, so Steinhart. „Gehen sie in die Praxen, wo Ärztinnen und Ärzte hunderte Patientinnen und Patienten am Tag im Fünf-Minuten-Takt abarbeiten müssen und erzählen sie ihnen, dass es hier um Pfründe und Privilegien geht!“, fordert der ÖÄK-Präsident jeden auf, der dieses Argument vertrete. Der Ärzteschaft sei wie niemand anderem schmerzlich bewusst, dass das Gesundheitssystem Reformen und Weiterentwicklung braucht, unterstreicht Steinhart. „Seit Jahren und Jahrzehnten weisen wir darauf hin, dass das System durch Sparpolitik unterfinanziert ist, haben Lösungskonzepte, Vorschläge und auch einen einheitlichen Leistungskatalog erarbeitet. Aber erst jetzt, wo sich die Probleme nicht mehr schönreden lassen, wird das Gesundheitssystem überhaupt erst zum Thema. Daher möchte ich nochmals den Gesundheitsminister zu ernsthaften und konstruktiven Gesprächen zur Verbesserung der Situation einladen“, sagt der ÖÄK-Präsident.

24-Stunden-Versorgung im ambulanten Bereich nötig

„Der Ansatz, dass es mit der Errichtung von ein paar weiteren PVE in unserem Lande getan ist und alle unsere Probleme in der Gesundheitsversorgung gelöst sind, ist aus unserer Sicht zu kurz gedacht“, repliziert Harald Mayer, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte. „Die Realität sieht nämlich anders aus: Die Österreicher denken, wenn sie sich krank fühlen, sehr oft zuallererst ans Spital und gehen dorthin, obwohl sie gar nicht sofort dorthin gehören. Das ist in den Köpfen verankert, das kriegen wir auch mit neuen PVE in den nächsten Jahren nicht raus.“

Daher sei es wichtiger, die Lenkung der Patientenströme anzugehen, offene Dienststellen in den Spitälern sofort zu besetzen und den ambulanten Bereich auszubauen, damit eine 24-Stunden-Versorgung der Patienten möglich gemacht wird: „Wir Ärztinnen und Ärzte sind dazu bereit, aber nicht, wenn das auf den Rücken derer ausgetragen wird, die wegen hausgemachten Personalmangels ohnehin schon mit ihren Kräften am Ende sind, weil sie die von den Trägern mutwillig in Kauf genommenen Löcher in der Personaldecke stopfen müssen.“ Er wolle aber auch klarstellen, dass er Primärversorgungszentren dort, wo sie sinnvoll sind und die Gesundheitsversorgung der Menschen verbessern, für gut und richtig befinde, betonte Mayer.

Viel zu starre Regelungen

Das unterstreicht auch Edgar Wutscher, Vizepräsident der ÖÄK und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte: „Im städtischen Bereich sind PVEs zielführend und auch etwas leichter umsetzbar – in ländlichen Gebieten muss man sich die Sache aber schon noch etwas genauer anschauen. Wenn zwei Ortschaften weiter eine neue PVE entsteht, aber gleichzeitig im Ort kein Allgemeinmediziner mehr gefunden werden kann, ist die Sinnhaftigkeit zu überdenken. Das kann Patientinnen und Patienten, die nicht mehr so mobil sind, vor große Probleme stellen.“

Gleichzeitig gebe es für die Errichtung von Primärversorgungseinrichtungen viel zu starre Regelungen, erklärt Wutscher: „Es ist aus unserer Sicht unverständlich, warum bei Pensionierung eines Arztes in einer PVE die beiden übrigen nicht frei wählen dürfen, wen sie als Nachfolger dazuholen. Stattdessen ist es aktuell so, dass eine Zwangsverheiratung mit dem nächstgereihten Arzt arrangiert wird. Das ist unzumutbar, schließlich überlegt man sich genau, mit wem man die nächsten Jahre und Jahrzehnte zusammenarbeiten möchte.“ Das sei nur ein Beispiel für die zu starren Regelungen. „Es ist das zu enge Korsett, das die Bildung von PVE verhindert, aber sicher nicht die Ärztekammer“, sagt Wutscher. „An der Lösung dieser Probleme arbeiten wir natürlich gerne mit, denn wir sehen uns als wesentlicher und konstruktiver Partner, der sich schon in der Vergangenheit stets mit Lösungsvorschlägen eingebracht hat.“ In der aktuellen Diskussion freue ihn besonders, dass der Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle das auch so sehe. „Man muss unsere ausgestreckte Hand nur ergreifen und sich mit uns an einen Tisch setzen, anstatt uns über die Medien die Schuld zuzuschieben“, so Wutscher abschließend.