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null ÖÄK präsentiert Forderungskatalog an die zukünftige Bundesregierung

Die Österreichische Ärztekammer hat die vordringlichsten Aufgaben der Gesundheitspolitik zusammengefasst

Unbesetzte Kassenstellen, überlastete Spitäler, eklatante Lücken beim Personal bei einer gleichzeitig steigenden Lebenserwartung der Bevölkerung. Das sind einige der gesundheitspolitischen Herausforderungen, mit denen sich die zukünftige Regierung befassen muss. „Österreich hat eine ausgezeichnete medizinische Versorgung – und das soll auch so bleiben“, sagt Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer, im Rahmen einer Pressekonferenz, in der ein umfassender Forderungskatalog an die zukünftige Bundesregierung präsentiert wurde.

Neue, innovative und erfolgreiche Behandlungsmethoden, besonders in der Krebsforschung, steigern die Lebensqualität und die Lebenserwartung. „Diese Fortschritte machen es aber auch notwendig, dass entsprechend mehr Geld ins Gesundheitssystem fließt“, sagt Szekeres. Um das umzusetzen, fordert die ÖÄK eine Anhebung des BIP-Anteils für das Gesundheitswesen auf 12 Prozent. Damit orientiert sich die ÖÄK an den Nachbarländern Deutschland und der Schweiz. „Wir sprechen hier von Milliardensummen, die unsere Nachbarn uns bei der Finanzierung des Gesundheitssystems voraus sind. Wenn wir hier nicht schritthalten, verliert das österreichische Gesundheitswesen den Anschluss“, warnt Szekeres.

Schutz vor privaten Investoren

Insgesamt müsse der Arztberuf in Österreich an Attraktivität gewinnen. Angesichts eines drohenden Ärztemangels und des europaweiten Wettbewerbs um Ärztinnen und Ärzte fordert die ÖÄK unter anderem eine höhere Durchlässigkeit von öffentlicher spitals- und kassenärztlichen Tätigkeit, weniger Bürokratie, mehr Delegation an andere Gesundheits-, Sozial- oder Administrationsberufe sowie den Schutz der Ärzteschaft und anderer Gesundheitsberufe vor Gewalt. „Dazu gehören bauliche Maßnahmen, Aufklärung und Schulungen sowie ein stärkerer strafrechtlicher Schutz“, sagt Szekeres.

Ein weiteres Problem sei das zunehmende Interesse privater Investoren an Ärztezentren, deren primäres Ziel Gewinnmaximierung sei. Um angesichts dieser Entwicklungen die bestmögliche Patientenversorgung zu garantieren, müsse die Politik die Übernahme von Konzernen gesetzlich einschränken. Darüber hinaus erhebt die Österreichische Ärztekammer auch sozialpolitische Forderungen: „Wir werden im Namen der Ärzteschaft weiter unsere Stimme erheben, sei es bei der notwendigen Impfpflicht, dem Nichtraucherschutz, den Auswirkungen der Klimakrise oder beim Umgang mit modernen Technologien“, sagt der ÖÄK-Präsident.

Mehr freiberufliche Strukturen

Nach wie vor nehmen viele Medizinabsolventen keine ärztliche Tätigkeit in Österreich mehr auf. Es ist daher notwendig, bereits bei der Ausbildung anzusetzen. „Dazu gehören neben einem Ausbau der Basisausbildungsstellen auch Ausbildungskoordinatoren in allen Spitälern, eine Aufwertung der Ausbildner sowie mehr Simulationsmöglichkeiten“, sagt ÖÄK-Vizepräsident Herwig Lindner. Außerdem müsse die Allgemeinmedizin in Krankenhäusern strukturell verankert werden.

Neben der Ausbildungsqualität müssten die Arbeitsbedingungen in den Spitälern allgemein verbessert werden. „Zwar wurden die Arbeitszeiten verkürzt, aber das Personal nicht entsprechend aufgestockt“, kritisiert Lindner. Zudem müssten die Spitäler endlich entlastet werden - Hauptbrennpunkt seien hier die Ambulanzen. Diese sollten nur in Notfällen und nur dann aufgesucht werden, wenn die Versorgung nicht durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte erfolgen kann. Eine Entlastung der Spitäler sei mit einem Ausbau des niedergelassenen Bereichs gekoppelt. „Und hier wurde leider nicht entsprechend ausgebaut“, so Lindner. Bestehende vorgelagerte allgemeinmedizinische Strukturen in Spitälern könnten helfen, die Spitäler zu entlasten. Die ÖÄK fordert daher mehr freiberufliche Strukturen in bzw. in der Nähe von Spitälern, mehr allgemeinmedizinische Akutordinationen und Ärztezentren.

1.300 neue Kassenstellen österreichweit

„Damit künftig mehr Leistungen im niedergelassenen Bereich angeboten werden können, benötigen wir österreichweit 1.300 neue Kassenstellen für Einzel- und Gruppenpraxen“, sagt ÖÄK-Vizepräsident Johannes Steinhart. Zudem sei eine Ausweitung des Leistungsspektrums in der Kassenmedizin notwendig. Unabhängig von tatsächlich realisierten Einsparungen oder Mehrkosten durch die Schaffung der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) erinnert die ÖÄK an die angekündigte Patientenmilliarde.

Außerdem sei bei der GKK-Fusion darauf zu achten, das Büro der ÖGK schlank zu halten. „Entscheidungen, die eine lokale Expertise erfordern, müssen weiterhin vor Ort getroffen werden, wie etwa über den Stellenplan, über die Vergabe von Kassenstellen sowie über ein dem regionalen Bedarf angepasstes Leistungsspektrum der Kassenärzte“, sagt Steinhart.

Seit Jahren fordert die Österreichische Ärztekammer eine zuverlässige elektronische Patientenakte. E-Health-Anwendungen müssten für Ärztinnen und Ärzte benutzerfreundlich und zeitsparend erfolgen. „Es kann nicht sein, dass mit sensiblen Patientendaten experimentiert wird. ELGA muss neu konzipiert werden“, fordert Steinhart.

 

Der ausführliche Forderungskatalog findet sich hier.

 

Presseunterlage

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Fotos

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Fotocredit: Bernhard Noll

O-Töne (MP3)

Thomas Szekeres:
Wo gibt es Engpässe? (640KB)
Welche Rahmenbedingungen sollten verbessert werden? (918KB)
Was ist die zentrale Forderung? (1.4MB)
Wie hoch sollte der BIP-Anteil für das Gesundheitswesen sein? (523KB)

Herwig Lindner:
Wozu führt die Überbelastung in Ambulanzen? (1MB)
Warum sollte man Patientenzugang steuern? (590KB)

Johannes Steinhart:
Wie viele Kassenärzte mehr braucht es? (820KB)
Wo gibt es Schwierigkeiten? (707KB)