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PK Ärzte-Statistik: Gesundheitssystem schlecht für die Zukunft gerüstet

„Wir brauchen ein gut ausgestattetes Versorgungssystem, das auf unerwartete Entwicklungen wie eine Pandemie rasch und wirksam reagieren kann“, fordert ÖÄK-Vizepräsident Johannes Steinhart.

„Nachdem niedergelassene Ärztinnen und Ärzte auch in der Corona-Krise an vorderster Front und als erste Ansprechpartner für ihre Patienten da waren und sind, ist eine ausreichend hohe Zahl von niedergelassenen Medizinern von zentraler versorgungspolitischer Bedeutung“, sagt Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, im Rahmen einer Pressekonferenz. „Die Politik sollte sich dessen bewusst sein und der Nachwuchsförderung und ärztlichen Bestandssicherung höchste Priorität einräumen“, so Steinhart.

Eine Analyse der aktuellen Ärztezahlen und der ärztlichen Altersstatistik liefert leider wenig Grund zur Hoffnung auf Besserung. Bei der Alterspyramide der 18.753 niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in Österreich gab es in den vergangenen Jahren keinen klaren Trend zu signifikant mehr ärztlichem Nachwuchs, der die künftige extramurale Versorgung absichern könnte. In bereits fünf Jahren wird jede/r Vierte der heute praktizierenden niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte das Pensionsalter erreicht haben. In zehn Jahren wird es mit rund 47 Prozent bereits jede/r Zweite sein. „Das ist der Preis für die gesundheitspolitischen Versäumnisse der Vergangenheit, den die Bevölkerung zu bezahlen hat. Es rächt sich, dass die Warnungen der Ärztevertretung von Generationen von Politikern und Kassenfunktionären weitgehend ignoriert wurden“, kommentiert Steinhart.

Um die pensionsbedingten Abgänge im niedergelassenen Ärztebereich kompensieren zu können, hat die Österreichische Ärztekammer einen mittelfristigen altersbedingten jährlichen Nachbesetzungsbedarf von exakt 969 Ärztinnen und Ärzten errechnet. So viel braucht das österreichische Gesundheitssystem, um nur den Status quo in fünf Jahren aufrecht zu erhalten. Denn bei diesen Berechnungen sind zusätzliche Bedarfssteigerungen durch eine größer und älter werdende Gesellschaft noch gar nicht berücksichtigt.

„Derzeit gibt es keine Aussicht, diesen Bedarf decken zu können - jedenfalls nicht aus dem medizinischen Nachwuchs heraus, den wir in Österreich ausbilden. Es bedarf großer Anstrengungen und attraktiver Rahmenbedingungen, um den jährlichen Nachbesetzungsbedarf erfüllen zu können. Wir müssen auch Ärzten, die in anderen Ländern studiert haben, ausreichend attraktive Angebote machen“, sagt Steinhart.

Bei den 7.205 Ärztinnen und Ärzten mit einem ÖGK-Vertrag sieht die Situation sogar noch  schlechter aus als bei den niedergelassenen Ärzten insgesamt. In fünf Jahren werden bereits 28 Prozent das Pensionsantrittsalter erreicht haben, in zehn Jahren rund 52 Prozent. Potenziell besonders bedrohte Fächer sind dabei die Gynäkologie und der HNO-Bereich: Von den heute 394 praktizierenden Frauenärzten mit ÖGK-Vertrag werden in zehn Jahren rund 61 Prozent das Pensionsalter erreichen. Bei den 235 HNO-Ärzten mit ÖGK-Vertrag sind es in zehn Jahren ebenfalls bereits 61 Prozent.

Ähnlich verhält es sich im für die Versorgung so wichtigen Fach der Allgemeinmedizin: Von den derzeit 3.862 niedergelassenen Allgemeinmedizinern erreichen in zehn Jahren 48 Prozent das Pensionsalter. „Diese Perspektive bekräftigt einmal mehr unsere Forderungen, dass die Rahmenbedingungen der kassenärztlichen Tätigkeit deutlich attraktiver werden müssen, damit sich junge Ärzte wieder für einen Kassenvertrag interessieren“, sagt Steinhart. Das Fazit lautet für ihn: „Aus heutiger Sicht beruht die niedergelassene ärztliche Versorgung der nahen Zukunft auf der Bereitschaft vieler Ärzte, länger zu arbeiten als die meisten anderen Berufsgruppen. Würden sie im Regelpensionsalter aufhören, hätten wir schon jetzt in vielen Fächern ein massives Problem, das sich verschärfen wird“, so Steinhart, der aus der Statistik folgende Schlüsse zieht:


Zahlen als Basis für gesundheitspolitische Maßnahmen


•    Die aktuellen Zahlen sollten Politik und Sozialversicherungen die Grundlage für wirksame Aktionen gegen den Ärztemangel bieten. Gefordert ist ein nationaler Schulterschluss zwischen Gesundheits- und Bildungspolitik, Bund und Ländern, Spitalerhaltern und MedUnis, Sozialversicherungen etc., mit konsequenter Einbeziehung der Ärzteschaft.

•    Die Corona-Krise belehrt auch all jene Gesundheitsökonomen eines Besseren, die seit Jahren die angeblich „höchste Ärztedichte Europas“ in Österreich oder eine angeblich problematisch hohe Zahl von Spitälern und Spitalsbetten kritisieren.

•    Ohne zusätzliches Geld für das Gesundheitssystem wird es nicht gehen. Solche Investitionen sind gut für die Gesundheit und die Wirtschaft. Besonders der in der Vergangenheit oft massiv ausgehungerte niedergelassene ärztliche Bereich braucht speziell zu Corona-Zeiten Unterstützung, um weiterhin leistungsfähig zu bleiben. Jetzt ist die Politik am Zug.

•    Um Ärzte in Österreich zu halten bzw. nach Österreich zu bekommen, bedarf es international konkurrenzfähiger Arbeitsbedingungen für niedergelassene Ärzte. Jungen Ärzten müssen ausreichend attraktive berufliche Rahmenbedingungen geboten werden.

•    Zu solchen Rahmenbedingungen gehört als ganz akute Antwort auf die Pandemie auch eine Kompensationszahlung durch die Regierung oder die Sozialversicherungen für niedergelassene Ärzte für ihre Umsatzeinbußen während des Shutdown. Schließlich hatten die meisten kassenärztlichen Praxen und zahllose Wahlarztpraxen während der Spitzenperiode der COVID-19 Krise geöffnet. Das bedeutete laufende Vorhaltekosten für Personal und Infrastruktur. Gleichzeitig verzeichneten sehr viele Arztpraxen in dieser Zeit trotz anhaltender Ausgaben immense Umsatzeinbrüche, weil die Patienten auf Anordnung der Behörden Arztpraxen nur in Notfällen aufsuchten sollten, um das Infektionsrisiko möglichst niedrig zu halten. Es wurden Patientenrückgänge um bis zu 90 Prozent berichtet. Viele Ärzte würden das wirtschaftlich kein zweites Mal überleben. Weitere Einbrüche bei den Ordinationszahlen kann sich das österreichische Gesundheitssystem auf keinen Fall leisten.

Unterlage

Presseunterlage.pdf (268KB)

Fotos

Fotocredit: ÖÄK/Thomas Jantzen

 



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