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null ÖÄK zu PVE-Änderungen: Klare Ablehnung, Forderung nach weiteren Gesprächen

Die Möglichkeit von PVE-Ausschreibungen ohne Zustimmung der Ärztekammern wird keine zusätzlichen Ärzte bringen, solange die Rahmenbedingungen nicht an die Bedürfnisse angepasst werden.

„Reinen Aktionismus“ ortet Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), in der heute angekündigten Gesetzesänderung betreffend die Gründung von Primärversorgungseinheiten (PVE). Eine angekündigte Novelle soll künftig vorsehen, dass eine PVE auch ohne Zustimmung der Ärztekammern ausgeschrieben werden kann, wenn Gesundheitskasse und Ärztekammer in einem Versorgungsgebiet, in dem zwei Stellen von Allgemeinmedizinern oder Kinderärzten unbesetzt sind, binnen sechs Monate keine Ärzte finden können. Diese Pläne wirken „alles andere als durchdacht“, denn: „Wenn die Rahmenbedingungen so unattraktiv sind, dass sich keine Ärztinnen oder Ärzte finden, dann wird auch eine PVE keinen Turbo einlegen können. Das wird eine Fehlzündung“, sagt Steinhart. Es sei unglaublich, dass das Problem immer noch nicht verstanden werde – anstatt alles daran zu setzen, dass Kassenstellen gar nicht erst verwaisen, versuche man jetzt mit untauglichen Mitteln den Ärztemangel zu beseitigen. „Dieses Drüberfahren, nachdem wir öffentlich unsere Hand ausgestreckt und zu Gesprächen eingeladen haben, ist kein angemessener Stil“, so Steinhart, der zu den ebenfalls beabsichtigten PVE für Kinder- und Jugendheilkunde erinnert, dass es dazu schon längst ein Konzept der Ärztekammer für Wien gibt, das an einer fehlenden Einigung zu den Finanzierungsmodalitäten zwischen Sozialversicherung und Ländern scheitert.

Der Vorwurf, dass die Ärztekammern schuld an der aktuell zu niedrigen PVE-Zahl in Österreich seien, sei nicht nachzuvollziehen. „Die Ärztekammern haben auch bisher ihr Bestes getan, um die Gründung von PVE zu erleichtern“, hält der ÖÄK-Präsident fest.

Die konsensorientierte Zusammenarbeit von Ärztekammern und Kassen bei der Besetzung von Kassenstellen habe lange Zeit einwandfrei funktioniert, betont Edgar Wutscher, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte: „Dass man dieses Vorgehen nun für ein paar billige Punkte und Wunschträume opfert, ist ein Affront.“ Sowohl das Herumfuhrwerken im Gesundheitssystem ohne Einbindung derjenigen, die die Leistungen dann erbringen werden, als auch die Kommunikationspolitik ließen Übles für die Versorgungssicherheit der Bevölkerung erwarten. Wutscher könne vor allem die Abschaffung des Konsensgedankens nicht verstehen: „In jedem Bundesland gibt es Beispiele, bei denen die Ärztekammern gemeinsam mit Land und/oder Kassen großartige Projekte auf die Beine gestellt haben und auch im heute vorgestellten Konzept gibt es Punkte, die unsere volle Zustimmung finden“, so der ÖÄK-Vizepräsident. Für die Möglichkeit, dass Wahlärztinnen und Wahlärzte ebenfalls PVE mitgründen können, spreche sich die Ärztekammer beispielsweise schon lange aus.

Mehr Flexibilisierung gefordert

Dennoch müsse noch viel mehr an der grundsätzlichen Attraktivität der Kassenmedizin allgemein und von Primärversorgungseinheiten im Speziellen gearbeitet werden. Als Beispiel nennt Wutscher, dass es möglich gemacht werden müsse, dass auch zwei Ärzte mit einem Arzt in Anstellung eine PVE gründen können. Zudem müsse die Gründung von Primärversorgungsnetzwerken erleichtert werden. „Bei PVE denken viele zuerst an ein Zentrum, dabei wäre ein Netzwerk, bei dem mehrere Ärztinnen und Ärzte an verschiedenen Standorten ordinieren, eine viel bessere Lösung für den ländlichen Raum“, hält Wutscher fest. So könne die Ausdünnung ländlicher Regionen verhindert werden. Auch die Möglichkeit einer PVE mit Hausapotheke wie bei Ordinationen, könnte gerade in den ländlichen Regionen ein Attraktivitätsbooster sein.

Steinhart und Wutscher mahnen abschließend dringend eine Verbesserung der Kommunikation ein und fordern weitere Gespräche zur konsensualen Lösung. Die Rückkehr zu einer konstruktiven und wertschätzenden Zusammenarbeit im Sinne der besten Versorgung für die Patientinnen und Patienten müsse das Ziel sein: „Blinder Aktionismus wird uns nirgendwo hinführen, sondern vergiftet nur das Klima.“