Die österreichischen Hausapotheken-Referate der Ärztekammern präsentieren Lösungsansätze als Hilfestellung für den neuen Nationalrat und die künftige Bundesregierung.
„Vor über einem Jahr hat der Bundeskanzler angekündigt, 100 zusätzliche Kassenstellen zu schaffen. Davon ist nicht viel zu sehen, weil der Politik dazu das richtige Rezept fehlt. Wir hingegen haben das Rezept, wie wir sogar an die 400 Kassenstellen für Allgemeinmediziner am Land besetzen können.“ Daran erinnerte der Leiter des Referats für Hausapotheken und Medikamentenangelegenheiten in der Österreichischen Ärztekammer, Silvester Hutgrabner, in Hinblick auf den sich demnächst konstituierenden neu gewählten Nationalrat und die nun beginnenden Gespräche zu einer Regierungsbildung.
Nach einer Untersuchung des Beraternetzwerks Kreutzer Fischer & Partner, würde ein Ausbau von ärztlichen Hausapotheken bis zu 400 neue Kassenärzte bringen. Schon jetzt versorgen die hausapothekenführenden Ärztinnen und Ärzte österreichweit rund 3 Millionen Menschen. Allerdings ist die Anzahl der Hausapotheken in den vergangenen Jahren von einem Gleichstand mit öffentlichen Apotheken um die Jahrtausendwende (jeweils ca. 1.100) stark geschrumpft. Derzeit gibt es nur mehr rund 800 Hausapotheken, aber schon 1.426 öffentliche Apotheken mit weiteren 32 Filialapotheken. Dieses Schrumpfen bei der Anzahl von Hausapotheken ist legistischen Maßnahmen geschuldet, die mehr von ökonomischen Überlegungen geleitet waren, als von denen nach einer optimalen, patientennahen Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten.
Wie Klaus Schweitzer, Referent im ÖÄK-Referat Hausapotheken und Medikamentenangelegenheiten, darlegte, ist der Weg zu mehr Kassenärztinnen und Kassenärzten mit Hausapotheken einfach. Notwendig ist dazu nur der Wille des Gesetzgebers. „Mit einem Wegfall der Sechs-Kilometer-Grenze, die den Abstand zwischen öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken reglementiert, werden Kassenarztstellen, vor allem im ländlichen Raum, schlagartig attraktiver“, führte Schweitzer aus.
Novellierung des Apothekengesetzes für mehr Sicherheit für Hausapotheken und verbesserte Patientenversorgung
Im Detail geht es um die Streichung des § 29 Abs. 3 und die Änderung des § 29 Abs. 1 des Apothekengesetzes. Damit wird einerseits verhindert, dass bestehende Hausapotheken schließen müssen, sobald sich im näheren Umfeld eine neue öffentliche Apotheke niederlässt, was auch zur Folge haben kann, dass der Arzt abwandert. Dann hätte die Gemeinde vielleicht eine neue Apotheke, aber keine medizinische Versorgung mehr. Und andererseits ermögliche eine solche Gesetzesnovelle, dass die optimale Patientenversorgung mit ärztlicher Therapie und Medikamenten aus einer Hand auch in Gemeinden zugelassen wird, in denen schon eine öffentliche Apotheke etabliert ist.
„Es käme also zu einer deutlichen Verbesserung der Arzneimittelversorgung und somit der medizinischen Versorgung, wenn die Politik die Niederlassung von Ärztinnen und Ärzten mit Hausapotheke auch im Umfeld einer öffentlichen Apotheke zulässt – also ein duales System bei der Versorgung mit Medikamenten etabliert“, betonen Hutgrabner und Schweitzer.
Die Obfrau des Schutzverbands der hausapothekenführenden Ärzte Österreichs, Carmen Berti-Zambanini, verlangte eine weitere legistische Maßnahme vom künftigen Nationalrat. Derzeit besteht schon die Möglichkeit, dass sich mehrere Ärzte zu sogenannten Primärversorgungs-Netzwerken (PVN) zusammenschließen. Dabei behält jeder Arzt seinen Standort, es werden intensiv Synergien genutzt und die Standorte in den einzelnen Gemeinden und damit der niederschwellige Zugang für die Patientinnen und Patienten bleiben erhalten. Aber für den Fall eines PVN ist rechtlich nicht geregelt, was mit bestehenden Hausapotheken geschieht. Um sich dem Risiko des Verlustes der Hausapotheke bzw. einem langwierigen Rechtsstreit vor Gericht erst gar nicht auszusetzen, nutzen Ärztinnen und Ärzte aktuell die Möglichkeit des Zusammenschlusses zu PVN nur wenig.
Berti-Zambanini, Hutgrabner und Schweitzer sprachen auch Schwachstellen bei den Primärversorgungseinheiten (PVE) an. Denn derzeit ist in PVE die Abgabe von Medikamenten nicht möglich. Dort reicht zwar das Angebot bis hin zu Psychotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Diätologie und Sozialarbeit – aber es gibt keine Medikamente. Um diese zu bekommen, müssen Patientinnen und Patienten weiterhin umständlich in die Apotheke „pilgern“. Das sollte der neue Gesetzgeber umgehend reparieren, forderten die drei Ärztevertreter. In diesem Zusammenhang – weite Wege zur nächsten Apotheke – verlangte Schweitzer eine weitere Änderung des Gesetzes. Momentan hängt eine Hausapotheke an der Person des Arztes. Geht dieser auf Urlaub, dürfen in dessen Ordination von der Vertretung keinerlei Medikamente abgegeben werden. Das hat zur Folge, dass Patienten dann die nächste Apotheke, zeitlich wie wegemäßig aufwändig, suchen müssen. „Der neue Gesetzgeber hat dafür Sorge zu tragen, dass künftig die Genehmigung zu einer Hausapotheke auch an der Adresse hängt und nicht nur an der Person“, sagte Schweitzer.
Ein weiterer Aspekt, dessen Änderung Hutgrabner urgierte, betrifft Zwei-Arzt-Gemeinden (derzeit österreichweit noch etwa 50). Dort, wo beide Ärzte Hausapotheken haben, müssen diese ihre Hausapotheken binnen drei Jahren schließen, wenn dort eine öffentliche Apotheke eröffnet. Das führe im schlimmsten Fall dazu, dass beide Ärzte absiedeln und der Ort dann zwar eine öffentliche Apotheke, aber keine Ärzte mehr habe. „Der Gesetzgeber muss hier das unbefristet Nebeneinander von Hausapotheke und öffentlicher Apotheke ermöglichen“, verlangte Hutgrabner.
„Ziel muss also nicht nur die Sicherstellung der bestehenden ärztlichen Hausapotheken sein, sondern auch die Schaffung von neuen. Und damit auch die Schaffung von zusätzlichen Kassenstellen für Allgemeinmedizin, mit dem Ziel der optimierten Versorgung der Bevölkerung mit ärztlichen Leistungen und Medikamenten“, fassten Berti-Zambanini, Hutgrabner und Schweitzer ihre Empfehlungen an den neuen Gesetzgeber und an die künftige Bundesregierung zur Verbesserung der medikamentösen Versorgung der Bevölkerung zusammen.
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Foto Credit: ÖÄK/Bernhard Noll