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Eine aktuelle Umfrage unter Gemeindevertretern zeigt die große Besorgtheit um die künftige kassenärztliche Versorgung. Ein leistungsorientiertes Kassensystem und die Medikamentenabgabe beim Arzt könnten helfen, Abwanderungen zu verhindern.
Fast 70 Prozent der Gemeindevertreter sehen die Versorgung ihrer Gemeinde durch fehlende Kassenärztinnen und Kassenärzte in den kommenden fünf Jahren gefährdet. Das zeigt eine Umfrage des Kommunalverlages unter Bürgermeistern, Vize-Bürgermeistern, Amtsleitern, Gemeindemandataren und anderen Gemeindebediensteten, an der 619 Personen teilgenommen haben. Eine signifikante Mehrheit von 66,20 Prozent der Befragten stimmte dabei voll und ganz zu, dass ihnen die aktuelle Problematik bei der Besetzung von Kassenstellen bewusst ist, 68,32 Prozent der Befragten stimmte der Aussage eher oder voll und ganz zu, dass die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Kassenärzte sich positiv auf die Zukunft ihrer Gemeinde auswirken würde. Und 54,13 Prozent der Befragten sind laut dieser Umfrage der Meinung, dass die Erleichterung bei der Gründung und Bewahrung von ärztlichen Hausapotheken eine positive Auswirkung auf die Zukunft ihrer Gemeinden haben würde. „Die Ergebnisse dieser Umfrage zeigen ganz klar, dass die Patientenversorgung am Land ganz essentiell dafür ist, ob eine Region überlebt“, sagte Edgar Wutscher, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte im Rahmen einer Pressekonferenz. Es sei dringend notwendig, Ärztinnen und Ärzte wieder in das Kassensystem zu bekommen. Verbesserungspotential gebe es viel, so Wutscher.
Integration anderer Gesundheitsberufe
Die vielzitierte Flexibilisierung sei auf mehreren Ebenen zu verstehen, präzisierte Wutscher: „Es sollte möglich sein, als Kassenarzt auch in Teilzeit zu arbeiten, denn jede besetzbare Kassenstelle ist ein Gewinn für das solidarische Gesundheitssystem“, betonte er. Zudem müssten die bürokratischen Hürden bei modernen Arbeitsmodellen, wie Job Sharing, Gruppenpraxen oder interdisziplinäre Zusammenarbeitsformen fallen: „Modelle, in denen Arztordinationen auch andere Gesundheitsberufe integrieren, müssen budgetär abgesichert werden, um hier auch Anreize zu schaffen“, sagte Wutscher. Angesichts der steigenden Zahl an Ärztinnen sei es zudem sinnvoll, diese auch zu fördern: „In Vorarlberg hat die Ärztekammer gemeinsam mit der ÖGK-Landestelle ein Pilotprojekt laufen, wonach junge Ärztinnen nach der Entbindung für einen gewissen Zeitraum einen Anspruch auf einen finanziellen Mutterschutzausgleich erhalten“, sagte Wutscher.
Leistungsorientierte Honorierung
Zu den viel zitierten Ärztegehältern sagte Wutscher: „Wir tragen aber auch eine große Verantwortung, immerhin geht es hier um die Gesundheit und das Leben der Menschen.“ Das Kassensystem decke aber leider nicht alle Leistungen ab. Bereits vor einigen Jahren habe die Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte den einheitlichen Leistungskatalog und ohne leistungsfeindliche Limits in enger Zusammenarbeit mit den Bundesfachgruppen entwickelt und der Sozialversicherung überreicht – seitdem sei aber nichts passiert. Das Diagnose- und Therapiegespräch, eines der zentralen Punkte der Arzt-Patienten-Beziehung, werde beispielsweise je nach Kasse etwas unterschiedlich mit ca. 15 Euro vergütet: „Aber aufgrund der Deckelungen durch die Krankenkasse gilt das nur für geringe Prozentsätze der tatsächlich geführten Diagnose- und Therapiegespräche“, präzisierte Wutscher: „Fragen Sie doch einmal Ihren Elektriker, ob er Ihnen die vierte und fünfte Steckdose kostenfrei verlegt, weil er ja bereits drei verlegt hat.“
Medikamentenabgabe beim Arzt
Ein großes Argument für Kassenstellen im ländlichen Raum seien die öffentlichen Hausapotheken. Ein Hausarzt am Land mache nach wie vor viele Hausbesuche, könne aber nur ein Rezept schreiben und die Medikamente nicht direkt beim Patienten vor Ort abgeben. Die Möglichkeit der Medikamentenabgabe beim Arzt würde Einzelordinationen wieder attraktiver machen. Leider schrumpfe aber im Gegenteil die Anzahl der Hausapotheken aufgrund von legistischen Maßnahmen. Zur Änderung der Lage wäre nur der Wille des Gesetzgebers nötig: „Mit einem Wegfall der Sechs-Kilometer-Grenze, die den Abstand zwischen öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken reglementiert, werden Kassenarztstellen, vor allem im ländlichen Raum, schlagartig attraktiver“, sagte Wutscher.
„Gesundheitsversorgung ist ein wesentliches Thema für die Bevölkerung“
Die ärztliche Versorgung ist auch für die kleine steirische Gemeinde St. Peter im Sulmtal (1300 Einwohner) ein großes Thema, denn seit 2023 wird hier dringend ein Arzt für die Kassenstelle im Ort gesucht. Dieses Problem hat ihr schon einige schlaflose Nächte bereitet, gibt Bürgermeisterin Maria Skazel unumwunden zu. „Es ist ja tatsächlich so, dass mich die Leute ansprechen, wenn ich nur über den Kirchplatz gehe. Die Gesundheitsversorgung ist wirklich ein großes und wesentliches Thema für die ganze Bevölkerung und mir macht daher die Nichtbesetzung entsprechende Sorgen“, schilderte die Ortschefin. Man habe die Bürger auch schon frühzeitig darauf eingestimmt, dass nun deutlicher Mehraufwand in Form von zusätzlichen Kilometern auf sie zukommt. „Das trifft natürlich vor allem die chronisch Kranken und die ältere Bevölkerung, die wöchentlich einen Arztbesuch braucht, die müssen sich nun länger auf den Weg machen“, bedauerte die Bürgermeisterin.
Sie könne nur die Rahmenbedingungen im Ort beeinflussen, aber keine Gesetze ändern und keinen Arzt herzaubern, schilderte Skazel. Erschwerend kam dazu, dass fast zeitgleich die Nachbargemeinden St. Martin und Bad Schwanberg ebenfalls einen neuen Gemeindearzt suchten. St. Martin hatte dabei den Vorteil, dass die Kassenstelle mit einer Hausapotheke verbunden war und die Stelle schnell nachbesetzen konnte. Diese Situation wurde natürlich auch in St. Peter genau verfolgt. „Die Hausapotheke ist natürlich ein wesentliches Plus, um in einen kleinen Ort zu gehen“, sagte Skazel. Ihr großer Wunsch an die Politik wäre daher eine Lockerung bei der Hausapotheken-Regelung. Die Vermeidung weiter Wege sei St. Peter auch als Klimabündnisgemeinde natürlich ein großes Anliegen. Auch aus dieser Hinsicht wäre es eine deutliche Erleichterung, wenn der Arzt den Medikamentenvorrat, der er ja ständig braucht, über seine Hausapotheke abgeben könnte, sagte die Ortschefin: „Und vielleicht würde das den einen oder anderen Arzt oder die eine oder andere Ärztin bewegen, doch zu uns zu kommen.“ Die Hausapotheke könnte den Unterschied machen, damit ein Arzt dann leichter das unternehmerische Risiko eingehe, in eine 1.300-Einwohner-Gemeinde zu kommen, ist Skazel überzeugt. Für junge Ärzte habe die Gemeinde mit vorhandener Infrastruktur auch einiges zu bieten, wie etwa eine Kinderbetreuungsmöglichkeit, ein Nahversorgergeschäft, eine Bahnhaltestelle, Einbettung in das gemeinschaftliche Leben im Ort und nicht zuletzt ist die Kassenstelle mit einer Anschubfinanzierung von 70.000 Euro verbunden. „Wir freuen uns über jede Bewerbung, die reinkommt“, meinte die Bürgermeisterin abschließend.
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Foto Credit: ÖÄK/Stefan Seelig