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„Fassungslos“ reagiert Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer, über die jüngsten Aussagen von ÖGK-Generaldirektor Bernhard Wurzer zum Mangel an Kinderärzten.
„Man glaubt manchmal, man hat in den vielen Jahren der Zusammenarbeit mit den Krankenkassen schon alles erlebt – aber solche Aussagen wie die von ÖGK-Generaldirektor Wurzer stellen dann doch einen neuen Tiefpunkt dar“, urteilt Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte über die „Rechenstunde“ von Wurzer zu den angeblichen Einnahmen von Wiener Kinderärztinnen und Kinderärzten im ORF. Wurzer bezifferte die durchschnittlich abgerechnete Summe eines Wiener Kinderarztes auf 380.000 Euro im Jahr und schloss daraus inklusive der anderen Versicherungsträger und einer großzügigen Aufrundung auf um die 500.000 Euro Jahresumsatz, was Wurzer zufolge Beweis sein soll, dass die Honorare sicher nicht zu niedrig seien. „Es ist skurril, wenn man jemand in einer derart verantwortungsvollen Tätigkeit – auch finanziell verantwortungsvoll – offensichtlich den Unterschied zwischen Umsatz und Gewinn nicht kennt“, kommentiert Steinhart.
„Die wichtigen Zahlen liegen klar auf dem Tisch: Von Jahr zu Jahr werden die Lücken in der kassenärztlichen Versorgung besonders im Bereich der Kinder- und Jugendheilkunde immer größer. Da kann die Honorierung also sicher nicht so attraktiv sein, wie es der ÖGK-Generaldirektor mit seiner skurrilen Mathematik darstellt. Die Frage ist nur, wie lange die noch verbliebenen Ärztinnen und Ärzte, die mit vollem Einsatz diese Lücken stopfen, das noch durchhalten. Aktuell sind wir am Limit“, schildert Steinhart. Für Eltern und Erziehungsberechtigte wird es immer schwieriger, Fachärztinnen und Fachärzte für Kinder- und Jugendheilkunde mit Kassenvertrag für die medizinische Betreuung ihrer Kinder und Jugendlichen zu finden. „Mit seinen Aussagen schlägt der ÖGK-Generaldirektor nicht nur den Kinderärztinnen und Kinderärzten ins Gesicht, sondern auch diesen Eltern und Erziehungsberechtigten, die sich um die Versorgung ihrer Kinder sorgen“, so Steinhart.
Speziell Wien mit seinen zwei Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern sei auf diesem Gebiet unterversorgt. Hatte Wien im Jahr 2010 noch 91 Ärztinnen und Ärzte mit Kassenvertrag im Fach Kinder- und Jugendheilkunde, so waren es zu Jahresende 2021 nur mehr 71. Steinhart: „Ein Rückgang um 20 Kassenordinationen in diesem Zeitraum bei einer gestiegenen Bevölkerungszahl von etwa 200.000 – das entspricht einer Stadt wie Linz - sollte auch für die ÖGK ein Warnsignal sein.“ Unter den rund zwei Millionen Wiener Bürgerinnen und Bürgern sind 180.000 Kinder und Jugendliche. Steinhart: „Das bedeutet, dass jede der derzeit 71 Kassen-Kinderordination im Durchschnitt und gerundet 2.500 Kinder betreuen müsste. Das kann sich nicht ausgehen.“
„Gerade bei Kindern ist eine gesprächsintensivere und damit zeitintensivere Betreuung notwendig, die auch der Herr Generaldirektor der ÖGK für Kinder aus seinem familiären Umfeld erwarten würde“, so Steinhart. Aber genau das wird von der Kasse nicht abgegolten, wie auch generell die Honorare für Kinderärztinnen und Kinderärzte gegenüber anderen Fächern schlechter dastehen. Die hohen Anforderungen an eine Kassen-Kinderordination entsprechen nicht dem, was der ÖGK-Honorarkatalog abbilde. Die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen wurden etwa seit 28 Jahren nicht einmal der Inflation angepasst. Steinhart: „Ich glaube nicht, dass der ÖGK-Generaldirektor heute mit einem Gehalt zufrieden wäre, das sein Vorvorgänger in den 90er-Jahren des vorigen Jahrhunderts bekommen hat.“
Zusätzlich zum Problem der nicht zeitgemäßen Honorierung werde gerade bei Kinderärztinnen und Kinderärzten schlagend, dass etliche in den nächsten Jahren in Pension gehen werden und diese Stellen schwer bis gar nicht nachbesetzt werden können. Schon zuletzt waren österreichweit über 40 Kassenordinationen nicht besetzt. Die Ärztekammer hat diesbezüglich ein Konzept entwickelt – in Anlehnung an die Primärversorgungseinheiten (PVE) für Allgemeinmedizin – das PVE-Modell auch auf Kinderärztinnen und Kinderärzte auszuweiten. Es würde die Hemmschwelle verringern, eine Kassenordination zu gründen, weil die Last und das Risiko dann nicht mehr nur bei einer Person alleine liegen. Steinhart: „Wir fordern gleiches für ein Kinderärzte-PVE-Modell. Ich nehme den ÖGK-Generaldirektor diesbezüglich beim Wort, der öffentlich angekündigt hatte, derartiges fördern zu wollen und freue mich schon auf Gespräche mit der ÖGK, dieses Konzept auch tatsächlich umzusetzen.“
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